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Wissen

Der KI-Gender-Gap: Wie sich künstliche Intelligenz auf weibliche Arbeitskräfte auswirken wird

Veröffentlicht am 27. Mär 2025

In manchen Berufen nutzen Frauen ChatGPT bis zu einem Fünftel weniger häufig als Männer. Warum gibt es diese deutlichen Unterschiede und wie wirkt sich Künstliche Intelligenz (KI) auf weibliche Arbeitskräfte aus? Was kann die Politik tun, damit Frauen und Männer an ihrem Arbeitsplatz gleichermaßen von KI profitieren? Diesen Fragen ist ein aktueller Bericht der OECD nachgegangen.

Welchen Einfluss hat Künstliche Intelligenz auf weibliche Arbeitskräfte? Diese Frage beleuchtet ein aktueller OECD-Bericht, der im Rahmen des von der OECD gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiierten Programms „Artificial Intelligence in Work, Innovation, Productivity and Skills“ (AI-WIPS) erstellt wurde.

Der Bericht zeigt auf Basis der OECD-Studie „Who will be the workers most affected by AI? A closer look at the impact of AI on women, low-skilled workers and other groups“ weibliche Arbeitskräfte sind in Berufen mit dem höchsten KI-Potenzial unterrepräsentiert. Das KI-Potenzial wird daran gemessen, wie sehr sich die in einem Beruf erforderlichen Fähigkeiten mit den Fähigkeiten von KI überschneiden. Dazu gehören zum Beispiel akademische IT-Fachkräfte, Naturwissenschaftler*innen, Mathematiker*innen oder Ingenieurswissenschaftler*innen. Der Frauenanteil beträgt hier weniger als 35 Prozent. Laut einer weiteren OECD-Studie sind weibliche Arbeitskräfte unter den Fachkräften, die KI entwickeln und pflegen, ebenfalls unterrepräsentiert.

Hoch ist dagegen der Frauenanteil in Berufen, wie zum Beispiel Büro- und Sekretariatskräfte, Bürokräfte mit Kundenkontakt sowie im Rechnungswesen – ohne höheren akademischen oder beruflichen Abschluss, die laut OECD künftig besonders stark durch generative KI von Automatisierung bedroht sein könnten.

Gender-Gap bei der KI-Entwicklung

„Frauen und Männer tendieren nach wie vor dazu, in unterschiedlichen Berufen zu arbeiten – diese Berufe könnten sich mehr oder weniger durch KI verändern“, sagte Marguerita Lane, Arbeitsmarktwissenschaftlerin der OECD anlässlich der Vorstellung des Berichts auf der AI-WIPS-Konferenz 2024 am 12. Dezember in Paris. Sind Frauen bei Entscheidungen, welche die Entwicklung und Nutzung von KI betreffen, unterrepräsentiert, erhöht dies laut Bericht das Risiko, dass ihre Erfahrungen und Meinungen in diesem Prozess stärker unberücksichtigt bleiben. „Wir können eine Geschlechterkluft bezüglich der Frage sehen, wer heute die wichtigen Entscheidungen in der KI-Entwicklung trifft – und wessen Existenzgrundlage durch KI deutlich beeinträchtigt werden könnte“, so Lane.

Männer bewerten KI positiver

Der Bericht belegt zudem: Selbst wenn Männer und Frauen im gleichen Berufsfeld tätig sind, ist ihre Einstellung zum Thema Künstliche Intelligenz unterschiedlich. Lane: „Männer scheinen eher bereit zu sein, sich mit KI zu beschäftigen als Frauen.“ So zeigt eine OECD-Befragung, die 2022 unter Arbeitnehmer*innen im Finanzsektor und im Verarbeitenden Gewerbe durchgeführt wurde: 41 Prozent der männlichen Beschäftigten nutzen KI, bei den Frauen sind es 29 Prozent. Männliche KI-Nutzer*innen bewerten den Einfluss der KI auf ihre Leistung und ihre Arbeitsbedingungen zudem positiver als weibliche.

Fehlende Vorbilder

Worauf sind die dargelegten Geschlechterunterschiede zurückzuführen? Ursachen könnten laut Bericht unterschiedliche Kompetenzen im digitalen Bereich sein sowie der Umstand, dass Frauen seltener MINT-Studiengänge (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften sowie Technik) studieren. Mögliche Gründe für den Gender-Gap im Technologiesektor seien einer Studie zufolge Geschlechterstereotype, fehlende weibliche Vorbilder in MINT-Fächern, Diskriminierung bei Einstellungsverfahren sowie von Frauen als ungünstig wahrgenomme Arbeitsbedingungen im Technologiebereich.

Wie können Frauen und Männer künftig gleichermaßen von KI am Arbeitsplatz profitieren?

Der OECD-Bericht zeigt fünf Schritte, wie Politik Geschlechtergerechtigkeit in der digitalen Arbeitswelt stärken kann:

  • 1.) Geschlechterperspektive untersuchen

    • Auswirkungen von KI sollten systematisch aus Geschlechterperspektive untersucht werden: Wie lassen sich Frauen beispielsweise mit Bürotätigkeiten ohne akademischen oder höheren beruflichen Abschluss (Tertiärabschluss) unterstützen? Und wie Männer ohne Tertiärabschluss die von Automatisierung betroffen sind?
  • 2.) Passende Kompetenzen fördern

    • Höher- und Umqualifizierungen sind entscheidend, damit Frauen und Männer, die mit KI arbeiten, sich an berufliche Veränderungen anpassen oder in andere Branchen oder Berufe wechseln können.
  • 3.) Geschlechterkluft überbrücken

    • Um den Gender-Gap zu schließen, sind verschiedene Maßnahmen notwendig, zum Beispiel die Anpassung von Lehrplänen und der Lehrkräfteausbildung, mehr Diversität bei Einstellungspanels, eine teilhabeorientierte Arbeitskultur sowie die Förderung von weiblichen Vorbildern im Technologiesektor.

  • 4.) KI-Verzerrungen (bias) bekämpfen

    • Schlecht konzipierte oder verzerrte KI-Systeme können Benachteiligungen am Arbeitsmarkt, wie zum Beispiel einen Gender Bias, verstärken. Die Politik muss sicherstellen, dass die bestehenden Antidiskriminierungsbestimmungen auch in KI-Systemen umgesetzt werden können.

  • 5.) Ungleichheit mithilfe von KI abbauen

    • Mit der KI-Verordnung der EU werden die EU-Mitgliedsländer aufgefordert, die Erforschung und Entwicklung von KI-Lösungen zu fördern, die u. a. sozioökonomische Ungleichheiten bekämpfen.